Ein bildungspolitischer Streit wurde jetzt in Berlin durch die Vertagung des Hauptkonfliktpunktes – der Bewertungsstufe des Abiturs im sogenannten „Deutschen Qualifikationsrahmen“ – zunächst beigelegt. Sowohl die Einstufung des Abiturs als auch der Mittleren Reife wurden auf Initiative von Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) für fünf Jahre zurückgestellt. Für die Bewertung aller anderen Abschlüsse fanden Vertreter von Bund und Ländern, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften gestern einen Konsens.
Der „Deutsche Qualifikationsrahmen“ soll als Teil eines europäischen Bewertungssystems die Vergleichbarkeit von Bildungs- und Berufsabschlüssen erleichtern und für bessere berufliche Mobilität innerhalb der Europäischen Gemeinschaft sorgen.
Stufenmodell vom Hauptschulabschluss bis zur Promotion
Im nun beschlossenen Qualifikationsrahmen steht der Hauptschulabschluss auf Stufe Zwei, zweijährige Berufsausbildungen rechtfertigen die Stufe Drei, die vierte Stufe ist mindestens dreijährigen Lehren vorbehalten. Stufe Fünf wurde weitgehend für Zusatzqualifikationen reserviert. Auf Stufe Sechs treffen Bachelor-Absolventen auf Handwerksmeister. Auf Stufe Acht steht die Promotion als höchster deutscher Bildungsabschluss.
Gewerkschafter und Vertreter des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks freuten sich danach nicht zuletzt darüber, dass handwerklichen Ausbildungen zumindest der Tendenz nach die gleiche Wertigkeit eingeräumt wird wie akademischen Abschlüssen, was auch der oft stereotypen Forderung nach mehr Akademikern etwas den Wind aus den Segeln nehme und die Handwerksberufe insgesamt aufwerte.
Abitur – „nur“ gleichwertig mit Berufsabschlüssen?
Der bereits über längere Zeit schwelende Streit um die Einstufung des Abiturs beruhte darauf, dass die Kultusminister der Länder das Abitur höher als praktische Berufsausbildungen – also mit Stufe Fünf – bewerten wollten, alle anderen Beteiligten jedoch dafür plädierten, die Reifeprüfung gleichwertig mit beispielsweise dem Gesellenbrief auf Stufe Vier zu stellen. Annette Schavan bat schließlich darum, sich zunächst auf die Einstufung all derjenigen Abschlüsse zu konzentrieren, die unmittelbar auf den Berufseinstieg vorbereiten und die Bewertung von Gymnasiums- und Realschulabschluss um fünf Jahre zu vertagen.
Auf einer Pressekonferenz freute sich das bildungspolitische Gremium später über den erzielten Kompromiss, betonte unisono die Gleichwertigkeit allgemeinbildender und beruflicher Bildung, äußerte jedoch auch Befürchtungen, dass man die deutschen Abschlüsse im gesamteuropäischen Vergleich etwas zu niedrig bewertet hätte. Auch hierfür soll es in fünf Jahren eine neue Prüfungs- und Bewertungsrunde geben.